Sie haben Ihr Ziel erreicht! 

Objekt des Monats November 2025 

Nachbildung einer Holzlatte mit Zenturieninschrift aus Oberaden.

11 v. Chr. an der Lippe im rechtsrheinischen Germanien: Nach langem Marsch erreicht die Zenturie des Vinicius endlich ihr Ziel, das neue Militärlager im heutigen Oberaden (Stadt Bergkamen in NRW). An einem fest zugewiesenen Ort sollen die Männer ihre Zelte aufschlagen, schön in Reih und Glied wie es sich gehört. Aber wo genau muss die Zenturie des Vinicius hin? Das Lager ist mit 56 Hektar riesengroß, seine Fläche entspricht 80 Fußballfeldern. Hier suchen zwei Legionen und zusätzliche Hilfstruppen – zusammen über 12.000 Soldaten – nach ihren Zeltplätzen. Ein ungeheurer Trubel! Vom Lagerpräfekten erfährt Vinicius schließlich nähere Details: »Ihr seid in der Nähe des Stabsgebäudes untergebracht. Du wirst an der entsprechenden Stelle ein Holzschild mit Deinem Namen finden.« 

Zeichnung der originalen Holzlatte mit Zenturieninschrift aus Oberaden.

Zugegeben: Ob es sich vor gut 2000 Jahren wirklich so zugetragen hat, ist ungewiss. Unser Objekt des Monats November 2025 offenbart aber immerhin, dass es in Oberaden entsprechende Hinweisschilder gab. Es handelt sich um die Nachbildung einer unten zugespitzten Holzlatte aus unserer aktuellen Sonderausstellung »Roms Armee im Feld«. Das Original  ist im LWL-Römermuseum in Haltern am See zu bewundern. Die Nachbildung wurde auf Basis einer detaillierten Zeichnung der LWL-Archäologie für Westfalen von Heribert Mayr erstellt, dem 2. Vorsitzenden des Keltisch-Römischen Freundeskreises Manching e.V. 

In die Holzlatte ist eine lateinische Inschrift eingeschnitzt: Oben lässt sich zunächst ein spiegelverkehrtes »C« erkennen, kurz für C(enturia), also eine Abteilung von 80 Legionären. Es folgt der abgekürzte Name des Vinicius, wohl im Genitiv: VINIC(ii). In der römischen Armee war es gängiger Brauch, dass Truppeneinheiten den Namen ihres Offiziers führten, hier also denjenigen des Zenturios Vinicius. Entsprechendes lässt sich auch bei Reiterschwadronen im hiesigen Hilfstruppenkastell von Manching-Oberstimm nachweisen. 

Ist der Zenturio Vinicius vielleicht noch anderweitig belegt? Aus der hier relevanten Zeit kennen wir zwei prominente Träger des Familiennamens Vinicius: einen Marcus Vinicius und dessen Sohn Publius, die 19 bzw. 2 v. Chr. Konsuln waren. Marcus diente 1–4 n. Chr. zudem als Befehlshaber des römischen Heeres am Rhein. Diese beiden Vinicier gehörten allerdings zum Senatorenstand und hatten verwandtschaftlich wohl nichts mit »unserem« Vinicius zu tun, der als Zenturio nur ein einfacher römischer Bürger war. 

Plan des Militärlagers von Oberaden mit Markierung des Fundortes der Holzlatte (gelbes Kreuz).

Ob die Holzlatte tatsächlich eine Zeltreihe aus der Frühphase von Oberaden markierte oder gegebenenfalls eine Mannschaftsbaracke aus einer späteren Ausbaustufe, sei dahingestellt. Als die Römer 8/7 v. Chr. abzogen, hat man das Schild dann in einem Brunnen südöstlich des Stabsgebäudes entsorgt. Somit dürfte die Zenturie des Vinicius in der näheren Umgebung einquartiert gewesen sein. Die Latte gehört zu einer ganzen Reihe an Holzfunden, die sich aufgrund des stark lehmhaltigen Bodens in Oberaden sehr gut erhalten haben. Zutage traten unter anderem Bauhölzer von Befestigungen, Häusern und Brunnen sowie mobile Schanzpfähle. Sie sind teils mit Inschriften versehen, die weitere Zenturien nennen. 

Tobias Esch 

Literatur 

K. Jaschke – B. Tremmel, Zugespitzte Holzlatte mit Inschrift, in: LWL-Römermuseum (Hrsg.), IMPERIUM. 2000 Jahre Varusschlacht. Ausstellungskatalog Haltern am See (Stuttgart 2009) 383–384 Kat. 8.7 

J.-S. Kühlborn, Oberaden, Stadt Bergkamen, Kreis Unna, und Beckinghausen, Stadt Lünen, Kreis Unna, Römerlager in Westfalen 3, 2. Auflage (Münster 2011) 

J.-S. Kühlborn, Das Römerlager in Oberaden 3. Die Ausgrabungen im nordwestlichen Lagerbereich und weitere Baustellenuntersuchungen der Jahre 1962–1988, Bodenaltertümer Westfalens 27 (Münster 1992)