Von Ernst Albrecht (Keltisch-Römisches Museum Manching)
Das römische Kastell in Manching/Oberstimm - 2. Das Kastell Oberstimm
Nachdem bereits die Kaiser Tiberius (14-37) und Caligula (37-41) die Sicherung der oberen Donau begonnen hatten, wurde unter Kaiser Claudius (41-54) mit der Errichtung des KASTELLS OBERSTIMM um 40 n. Chr. diese zum Abschluss gebracht. Es ist nicht nur eines der ältesten Kastelle in Rätien, sondern zu seiner Zeit auch die östlichste Garnison an der oberen Donau. Von hier ab war donauabwärts eine große Lücke, das nächste Kastell fand sich erst in Linz.
Die Wahl des Platzes bestimmte - ähnlich wie bei der Manchinger Keltenstadt - die Kreuzung zweier bedeutsamer Verkehrswege, die Nord-Süd-Verbindung über die Donau und ein Ost-West-Weg auf der Niederterrasse südlich des Flusses. Das Kastell Oberstimm besorgte nicht nur den Grenzschutz, sondern war mit seinen Werkstätten auch Versorgungsbasis für die ostwärts zur Grenzbewachung eingesetzten vorwiegend berittenen Einheiten. Vor den Toren des Kastells setzte sich auch der Handel der Manchinger Keltenstadt fort, worin wir wohl den Anfang des Oberstimmer Barthelmarktes erblicken dürfen.
Die Westfront des Kastells war durch die Brautlach geschützt, die auch das notwendige Trinkwasser lieferte.
Hinter zwei Wassergräben - an der Westfront jedoch nur einer - lag die eigentliche Wehranlage, eine Holz-Erde-Mauer aus einem Holzverbau, der mit starken Eisennägeln zusammengehalten und dazwischen mit Erde verschüttet wurde. Wall und Graben sind längst eingeebnet und im Gelände nur zu erahnen. Doch gibt der Verlauf der heutigen Ortsstraßen noch annähernd die Form des Kastells wieder.
Hier ruht etwa in einem halben Meter Tiefe, von Aufschüttungen in zwei Jahrtausenden überlagert, das römische Oberstimm, dessen antiker Name uns nicht überliefert ist.
Im Kastellbereich lassen sich zwei Bauabschnitte erkennen. In der ersten Phase bestanden die Bauten aus starken Holzpfosten mit Flechtwerk und Lehmbewurf. Das Dach war mit Stroh oder Schilf gedeckt, nur wichtige Gebäude trugen gebrannte Lehmziegel. In den Mannschaftsbaracken gab es für jede Stubengemeinschaft eine Kammer mit einer Feuerstelle in der Mitte. Hier bereiteten die Soldaten ihre Mahlzeiten, da ihnen als Verpflegung nur Naturalien, meist Getreide, seltener Fleisch zugeteilt wurden. Hauptnahrung war eine Art Mehlmus, das sie in einer Reibschale zubereiteten.
Die Besatzung, 320 Fußsoldaten und 64 bis 128 Reiter in zwei bis vier Abteilungen, römische Hilfstruppen aus unterworfenen Völkern, besorgte den Grenzsicherungsdienst. Verdiente Soldaten konnten nach jahrzehntelangem Dienst das römische Bürgerrecht erhalten.
Die Angehörigen der Besatzung wohnten außerhalb des Kastells im Lagerdorf (Vicus), das sich bis zur Brautlach vorschob.
Dazu gehörten auch zwei Friedhöfe, Brandgräberfelder; zwischen der B 13 und der westlichen Grenze des Kuttenreich-Weihers sowie an der Hochstraße südlich der Donautalstraße. Dort bestatteten schon die Kelten ihre Toten, worauf noch heute die Flurbezeichnung ,,Totfeld" zurückgeht.
Die Toten wurden, wie im gesamten römischen Herrschaftsbereich üblich, an den Ausfallstraßen außerhalb der Siedlung verbrannt und in Urnen beigesetzt. Um die Urne mit dem Leichenbrand bettete man die Beigaben in Frauengräbern oft Metallspiegel, Glasfläschchen und Schmucksachen, im Kindergrab Spielzeug.
Schon Ende des vorigen Jahrhunderts fand man in Richtung Pichl und auf der Rossweide einzelne Brandgräber.
In den Bürgerkriegswirren der Jahre 69/70 hat das Kastell schwer gelitten, möglicherweise brach die abziehende Truppe auch Teile davon ab.
Unter Vespasian (69-79) dürften aber die noch bestehenden Teile von einer kleineren Einheit besetzt gewesen sein.
Mit dem Vorstoß Roms über die Donau und der Errichtung des Kastells Kösching (Germanicum) im Jahre 80 n. Chr. wurde die Besatzung nach dort verlegt, so die Darstellung von Prof. Dr. Hans Schönberger. Dr. P Eschbaumer sieht jedoch die Entstehung des Kastells Kösching nicht vor 100 n. Chr. Ihrer Theorie zufolge ist die steinerne Urkunde, eine Baumschrift mit der Jahreszahl 80 in Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Oberstimmer Kastells in dessen zweiter Bauperiode zu sehen und der Stein erst später nach dem neu errichteten Kastell Germanicum verschleppt worden.
Unter Kaiser Domitian (81-96) wurde zu Oberstimm ein Neu- bzw. Erweiterungsbau mit Principia, (Stabsgebäude) und Prätonum (Kommandantenhaus ), Fahnenheiligtum, Lazarett, Getreidespeicher und Schuppen auf Steinfundamenten errichtet. In den Mannschaftsbaracken gab es jetzt auch Kanalheizungen (Hypokausten).